Vor einiger Zeit hatten wir ja schon mal nachgefragt, ob Interesse an dem besteht, was der Mensch so neben der Arbeit macht. Also zusätzlich zu dem, was ich mit ihm mache. Hier kommt er nun also zu Wort (natürlich in mehreren Teilen, denn wenn er einmal ins Erzählen kommt, kommt er richtig in Fahrt:
Es begann eigentlich, als feststand, dass ich in meinem damaligen Job länger als nur ein paar Wochen bleiben würde. Bis dahin war das ja nicht wirklich der Fall: nach dem Abitur kam die Bundeswehr und ich wusste nie so richtig, wie lange ich wo bleiben würde; danach das Studium, das mich mehr als voll in Beschlag nahm; die Ausbildung, die auch nicht weniger Einsatz erforderte und schließlich der Job bei der Reederei, der pünktlich zu Weihnachten beendet wurde.
Nachdem ich das darauf folgende Formtief überwunden hatte und im neuen Job Fuß gefasst hatte, beschloss ich, den einen oder anderen Blick über den Tellerrand zu werfen. Ich suchte mir einen Sport, der mir lag (man sollte es ja gar nicht meinen) – ich blieb beim Sportbogen hängen. Relativ schnell wurde ich vom Schützenverein ziemlich eingebunden: eine kleine Jugendgruppe wurde durch viel Öffentlichkeitsarbeit (auch nicht zuletzt durch mich) größer und erforderte ziemlich viel Zeit und Einsatz, das eigene Training erforderte nicht weniger Zeit und ganz langsam machte ich mir im Stadtteil einen Namen.
Es folgte eine Zeit, die unheimlich anstrengend war, aber auch unheimlich viel Spaß gemacht hat. Vom Schützenfest mit eigenem Bogenturnier und Jedermannschießen (sogar der Bremer Innensenator hat schon unter meiner Aufsicht und Anleitung mit dem Bogen geschossen), über Ausmärsche bei anderen Vereinen bis hin zur massiven Öffentlichkeitsarbeit beim Familientag im örtlichen Einkaufszentrum (wo wir einen kompletten Bogenstand aufbauten und so neue Mitglieder warben), war alles dabei.
Eines Tages wurde ich angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, mich bei einer weiteren Gruppe einzubringen – bei den Nachtwanderern.
Die Nachtwanderer sind eine (bzw. viele) Gruppe(n) in Deutschland, die als Ansprechpartner für Jugendliche und junge Menschen im Stadtteil unterwegs sind. Sie bieten ein offenes Ohr für jeden und einen netten Ratschlag, wenn gewünscht, für alle, die unterwegs sind. Ursprünglich aus Schweden importiert, gibt es mittlerweile – insbesondere in einigen sozialen Brennpunkten – diverse Gruppen. Da der Stadtteil, in dem ich aufgewachsen bin und auch jetzt wieder lebte, ebenfalls solch ein Brennpunkt war (und leider auch noch ist), hatten sich auch hier einige Menschen gefunden, die am Wochenende abends unterwegs waren.
Das Projekt wurde von Anfang an sowohl von Politik als auch von Unternehmen (unter anderem auch das ansässige Verkehrsunternehmen) tatkräftig unterstützt, aber leider fehlten immer wieder Menschen, die sich aktiv einbringen.
Da sich die ganze Geschichte ziemlich interessant anhörte, schaute ich mir das Ganze einmal näher an und blieb direkt dabei.
Mehrere Jahre lang war ich im Stadtteil unterwegs. Zu Fuß, mit Bus und mit der Straßenbahn, zeigten wir uns im Stadtteil und hatten dabei ziemlichen Erfolg. Bald war ich noch bekannter als vorher.
Die Nachtwanderer hatten neben dem „üblichen“ Engagement im Stadtteil auch einen „üblichen“ Stand auf dem Stadtteilfest. Dabei stellten fast alle Vereine, Gruppen und Initiativen im Stadtteil einen Stand und stellten sich vor. Gleichzeitig gab es Unterhaltung für Klein (Spiele, Spielzeug und einen Badestrand) und Groß (Kaffe, Kuchen, Essen und Bühnenprogramm). Hier gab es bei den Nachtwanderern Kaffee und Kuchen gegen eine Spende, man zeigte Flagge und bespaßte die anwesenden Kinder mit Spielen wie Dosenwerfen und Seifenblasen und eigentlich war dieser Tag nicht viel mehr, als morgens hinzukommen, aufzubauen, Kuchen und Kaffee anzupreisen und am Abend wieder abzubauen.
So lange, bis die Organisatoren des Stadtteilfestes im netten Gespräch darauf kamen, mich zu fragen, ob ich ihnen nicht bei der Organisation des Bühnenprogrammes helfen könnte. Also die Gruppen, die den Tag auf dem Fest verbrachten, rechtzeitig zur Bühne zur Organisieren und dafür zu sorgen, dass es keine größeren Unterbrechungen gab.
Ich sagte natürlich nicht Nein und die Unterstützung kam so gut an, dass ich gleich für das nächste Jahr wieder eingeplant wurde.
Leider starb im folgenden Jahr einer der Organsiatoren und nach einiger Zeit wurde ich dann gefragt, ob ich mein Engagement für das Stadtteilfest nicht ein wenig ausweiten würde und ganz mit in das Organisationsteam einzusteigen.
Damit hatte ich – neben dem eigenen Sport – noch insgesamt drei weitere Ehrenämter: Training der Jugendlichen und Erwachsenen im Schützenverein, die Nachtwanderer und die Organisation des Stadtteilfestes. Dazu noch die Arbeit in einem kleinen Maschinenbauunternehmen, die ziemliche Flexibilität und Energie erforderte. Ein ganz schönes Programm, aber irgendwie hat das alles funktioniert. Bis zum großen Knall.